unter-richt

Ich mag den Begriff Unterricht nicht. Er hat für mich etwas mit Hierarchie zu tun, nämlich oben und unten, von oben nach unten,  und mit dem Verb richten. Die Tätigkeit eines Lehrers soll doch hauptsächlich darauf ausgerichtet sein, dass Kinder etwas lernen können, und das geht für mich über die Form des "Unterrichts" weit hinaus. Deshalb habe ich den folgenden Text, der hier gekürzt ist, an offizieller Stelle eingereicht.

Unterricht     warum nicht?

Mir widerstrebt bei der Vorstellung, „Unterricht“ machen zu müssen, folgendes:

Zum einen bin ich als Lehrperson diejenige, die mehr oder weniger bis ins kleinste entscheidet, was man macht und was nicht. Das ist aber gerade in Biologie sehr schwer, weil es einmal sehr viele interessante Dinge zu entdecken und zu lernen gibt und zum anderen alles miteinander vernetzt ist. Lineares Denken ist der Biologie fremd, also auch lineare Unterrichtsplanung von Fakt eins zu Fakt zwei usw.

Zum anderen möchte ich die Interessen der Schüler so weitestgehend wie nur möglich einbeziehen und berücksichtigen, dazu muss ich diese aber wissen. Wenn die Schüler unter einem ziemlich offen gehaltenen Thema sich ihre „Spezialgebiete“ aussuchen können und auch versuchen sollen, diese Entscheidung zu begründen, kann ich viel besser angemessene Aufgaben für jeden einzelnen herausfinden, sodass jeder eine faire Chance bekommt, auch wirklich produktiv etwas zu leisten.

 

Was sonst?

Deshalb möchte ich hauptsächlich Lerngelegenheiten und Lernanreize schaffen, möglichst viel Material bereit stellen, immer da sein können, wenn meine Hilfe benötigt wird, aber auch beobachten und nachfragen können, was die Schüler wie erarbeiten, erforschen, präsentieren möchten, und das kann ich einfach nicht als Unterricht bezeichnen.

In den 7. Klassen haben wir den Vorteil, dass ich Musik und Biologie in den Klassen „habe“, d.h. wir können wenigstens 4 Stunden interne Arbeits- und Zeitpläne machen. Ausgerichtet am Lehrplan gebe ich für Phasen von etwa 4 Wochen ein großes Thema vor mit definiertem Arbeitsziel. Jede/r kann sich nun allein oder in einer Gruppe bestimmter Einzelthemen oder -aufgaben annehmen bis auf die Dinge, die wir im Klassenverband zuvor besprechen und einüben müssen, z.B. beim Mikroskopieren oder beim Auf- und Abbau von Instrumenten. Alles, was die Kinder alleine, also ohne mein „Vorsagen“ hinkriegen können, lasse ich sie auch allein tun oder herausfinden. Berechtigte Fragen beantworte ich natürlich gerne, z.B. nach Fremdwörtern oder Fakten, die für ein Verständnis nötig sind.

Die Arbeiten sollen in der Schule, in der Unterrichtszeit erledigt werden, möglichst nicht zuhause, damit ich als Ansprechpartner auch wirklich zur Verfügung stehen kann. Egal ob Referate, Wandzeitungen, Mappen, musikalische Aufführungen u.ä. angefertigt oder geübt werden, möchte ich den Entstehungsprozess mit verfolgen, Tipps geben können und vor Fertigstellung der Ergebnisse schauen können, ob die Präsentation für die anderen Schüler verständlich und vollständig ist. Auch sorge ich für Materialien, z.B. Kopien, Bilder, Folien, die die Kinder nicht allein herstellen dürfen oder können, allerdings möglichst nur auf Anforderung durch die Schüler selber.

Es gibt Termine, die wir verabreden, wo die Arbeiten fertig sein müssen.

Zu den Einzelthemen entwickeln die Kinder Fragen, die alle beantworten können müssen, und diese Fragen liefern bei der mündlichen Prüfung dann die Grundlage.

..... 

 

Probleme

Die Kinder sind eine relativ freie Arbeitsweise so nicht gewohnt. Etliche sprechen sehr gut auf Vorschläge an, haben eigene Ideen und auch genug Energie, ihre Aufgaben fertig zu stellen. Sie kommen ziemlich direkt auf mich zu, wenn sie meine Hilfe brauchen, und machen dann selbstständig weiter. Sie nehmen Tipps von mir an, oder lehnen auch Vorschläge ab, wenn sie es begründet anders machen wollen.

Einige Kinder sind wie zu erwarten noch nicht so weit oder unmotiviert, tun sich sehr schwer, sich überhaupt erstmal für etwas zu entscheiden und haben dann auch nicht wirklich Energie und Durchhaltevermögen für ihren „Job“, liefern z.T. auch ziemlich lieblos angefertigte unüberlegte Dinge ab wie einfache Internetausdrucke. Das Mittelfeld arbeitet zwar, braucht aber immer wieder kleine Anschübe und Ermutigungen.

Die Kinder sollen Tagebuch führen, also zu Beginn jeder Stunde ihr Vorhaben für die jeweilige Stunde aufschreiben und am Ende dokumentieren, was sie getan haben, auch auf welche Schwierigkeiten sie gestoßen sind, welche Quellen sie gefunden und benutzt haben usw, aber auch einfach persönliche Statements dürfen im Tagebuch artikuliert werden. Auch wichtige Dinge, die für alle gelten, sollten sich die Schüler notieren.

Bei manchen Schülern ist diese Kontinuität ein großes Problem, sie vergessen die Bücher, obwohl sie sie auch einfach in der Schule im Fachraum deponieren können, sie gehen rüde mit den Büchern um, einige sind kaputt, auch ist das ein oder andere „verschwunden“.

Auch die Tatsache, dass das Tagebuch bei der Notenfindung hinzugezogen wird, beeindruckt sie nicht so sehr.  Den Zeitplan einzuhalten und sich die Arbeit einzuteilen fällt der Mehrheit noch ziemlich schwer.

Die größte Schwierigkeit besteht bei etlichen darin, dass sie noch denken, irgendetwas abliefern zu müssen, um wenigstens eine befriedigende Note zu bekommen. Sie entwickeln keinen Ehrgeiz, etwas Gutes „herzustellen“ oder etwas, was für die anderen hilfreich sein könnte. Man will es nicht unbedingt verstehen und können, man möchte die Aufgabe nur loswerden. Dabei kann für jeden etwas dabei sein, was den oder diejenige wenigstens etwas interessiert.

 Diese Einstellung ist für mich und diejenigen, die etwas tun, ziemlich frustrierend.

 

 

Ergebnisse:

Trotz einiger Schwierigkeiten können sich die Ergebnisse durchaus sehen lassen.

Es gibt recht informative und optisch ansprechende Wandzeitungen, ausführliche Mappen und interessante Referate, in Musik dazu originelle und intensiv geübte praktische Vorführungen. Wir haben ein zufallsgesteuertes Computer-Bio-Abfrageprogramm bekommen, einen selbstgedrehten Film über eine Haustierart, die Erklärung eines Musik“kompositions“programms, Musik-Rate-Spiele, die den nachfolgenden Schülern oder denen der Parallelklassen auch zur Verfügung stehen werden.

Bei der mündlichen Prüfung stellte sich heraus, dass die Schüler im Durchschnitt ganz gut Bescheid wussten und Sachverhalte auch logisch erklären konnten. Weil die Prüfungen immer zu dritt oder viert abgelegt werden konnten, hielten sich auch Aufregung und Versagensängste in Grenzen, manche Schüler wollten gleich noch mal eine bessere Prüfung machen, nachdem die erste gar nicht „so schlimm“ war.

 ........

 

 

Eigene Webseite von Beepworld
 
Verantwortlich für den Inhalt dieser Seite ist ausschließlich der
Autor dieser Homepage, kontaktierbar über dieses Formular!