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Zehn Ideen für eine bessere Schule  (Die Zeit 29/04)

Es gibt auch Reformen, die wenig kosten und sich schnell umsetzen lassen. Hier ein paar Vorschläge, damit das nächste Schuljahr besser wird

Ein Bildungsplan für jeden Schüler

Ursula Walther, stellvertretende Vorsitzende des Bundeselternrats

Aus dem Zeugnis erfahren Schüler nur, in welchen Fächern sie besser oder schlechter sind als der Rest der Klasse. Wie sie effektiver lernen, steht dort nicht. Daher bin ich für einen individuellen Bildungsplan, der Stärken und Schwächen der Schüler auflistet und konkrete Schritte beschreibt – für Eltern und Schüler, aber auch für Lehrer. Ihr Job ist es schließlich, die Schüler zum Erfolg zu führen. Den Plan könnten Schüler, Eltern und Lehrer gemeinsam aufstellen und unterschreiben, damit sich alle dran halten, Kinder wie Erwachsene. Wenn Lehrer dafür andere Aufgaben weglassen dürften, etwa das Schreiben von Zwischenzeugnissen, wäre so ein Bildungsplan keine zusätzliche Belastung. Doch der pädagogische Gewinn wäre enorm.

Semesterarbeiten statt Hausaufgaben

Mareike Glensk, 19, Abiturientin aus Berlin

Es gibt zu viel stupides Lernen und Wiederholen in der Schule. Darum sollten wir schon in der siebten Klasse mit Semesterarbeiten anfangen – und das in mehreren Fächern parallel. Statt täglicher Hausaufgaben, deren Sinn oft nicht einsehbar ist, könnten Schüler eigenständig Referate oder Projekte erarbeiten zu Themen, die sie interessieren und bei denen sie das Gelernte anwenden können. Der Lehrer legt zu Beginn des Halbjahres einen Themenkatalog vor, aus dem sich jeder was aussuchen muss. In den unteren Klassen arbeiten die Schüler im Team, von der zehnten Klasse an dann selbstständig. Vor den Ferien könnte jeder Schüler die Ergebnisse seines Projekts vorstellen und neben der schriftlichen Note für die Arbeit auch eine mündliche für den Vortrag bekommen.

Jahrgangsteams von Lehrern

Olaf Köller, Erziehungswissenschaftler an der Universität Erlangen-Nürnberg

Ich bin für die Einführung von Jahrgangsteams. Solche Teams bestünden aus Lehrern, die den Unterricht in einer Jahrgangsstufe gemeinsam planen und erteilen. Idealerweise sollten sie einen Jahrgang über mehrere Jahre hinweg begleiten. Lehrkräfte gleicher Fächer koordinieren ihre Unterrichtsplanung und erarbeiten gemeinsam Materialien. Auf diese Weise würden die Jahrgangsteams gleich mehrere Ziele erreichen: ein dauerhaftes, persönlicheres Miteinander von Schülern und Lehrern, die Minimierung von Stundenausfall, die Nutzung von Vertretungsstunden für systematischen Fachunterricht und schließlich auch die Möglichkeit, dass sich Fachlehrer im Team Rückmeldung zu ihrer Unterrichtsvor- und -nachbereitung holen könnten.

Ein Grundgesetz für die Schule

Armin Hackl, Schulleiter des Deutschhaus-Gymnasiums in Würzburg

Eine Schulverfassung kann helfen, das Verantwortungsgefühl des Einzelnen zu stärken und die Identifikation mit der Schule zu erhöhen. An unserem Gymnasium haben wir das so gemacht: Schüler, Lehrer und Eltern haben gemeinsam verpflichtende Grundregeln für den Unterricht und das Miteinander erarbeitet. Aus der Vielzahl von Vorschlägen destillierten sie in einer paritätisch besetzten Arbeitsgruppe den Verfassungstext, der in einer Abstimmung aller Schulangehörigen mit großer Mehrheit als unser Grundgesetz angenommen wurde. Viele Ideen sind inzwischen Realität: eine Schiedsstelle, die Aktion »Umweltfreundliche Schule«, die Entwicklung der Tutorenarbeit. Jetzt arbeiten wir an Regeln für pädagogische Maßnahmen und Sanktionen. Den Verfassungstext mit Leben zu füllen, das verlangt Aufmerksamkeit von allen. Doch es ist eine Mühe, die sich lohnt.

Lernen und Prüfen zeitlich trennen

Manfred Prenzel, Leiter der Schulstudie Pisa 2003 für Deutschland

Ich bin dafür, Lernen und Prüfen zeitlich zu entkoppeln. Bislang läuft beides oft parallel ab: Das fragend-entwickelnde Unterrichtsgespräch soll dem Lernen dienen, doch unter der Hand wird es zur Prüfungssituation: Geäußerte Ideen und Vermutungen werden bewertet. So verhalten sich die Schüler vorsichtig, wollen Fehler vermeiden und lernen weniger, als sie könnten. Wir sollten im Unterricht auf Noten verzichten und dafür Prüfungen ans Ende des Halbjahres setzen. Die testen dann natürlich den gesamten Stoff ab. Als Nebeneffekt würden die Wochen vor den Ferien sinnvoll genutzt. Freilich müssten die Schüler ihre Fortschritte selbst überprüfen. Wenn wir sie aber mit der Selbstevaluation vertraut machen, entwickeln sie eine Kompetenz für das lebenslange Lernen.

Die Großen helfen den Kleinen

Margarete Eisele-Becker, Direktorin des Margaretha-Rothe-Gymnasiums in Hamburg

Wir sollten Oberstufenschüler dazu motivieren, dass sie ihren jüngeren Mitschülern Arbeitsgemeinschaften und Tutorien anbieten. Ob Nachhilfe, die Betreuung in der Mittagspause, eine Computer-AG oder Jazz-Dance, es ist doch besser, die Kompetenzen von Oberstufenschülern sinnvoll einzusetzen und ihre Vermittlungsfähigkeiten zu aktivieren, anstatt dass sie im Supermarkt jobben. Die Finanzierung (zum Beispiel zehn Euro pro Stunde) wäre möglich: Man müsste nur einen kleinen Teil der Lehrerstellen in Geld umwandeln; in den meisten Bundesländern geht das. Aus einer zehntel Stelle könnten zum Beispiel sieben zweistündige Arbeitsgemeinschaften pro Woche ein Jahr lang finanziert werden.

Ein Projekttag fürs Gedächtnis

Christiane Stenger, 17, Gedächtnisweltmeisterin und Politikstudentin aus München

Man kann sich Daten und Vokabeln viel besser merken, wenn man sie in Bilder umsetzt: Zum Beispiel heißt »liegen« auf Latein »cubare«. Da stelle ich mir eine Kuh vor, die auf einer Bahre liegt – und brauche die Vokabel nicht mehr zu pauken. Mit Zahlen und Daten im Geschichtsunterricht kann man das ähnlich machen: Eine 1 sieht aus wie ein Stift, bei der 9 denke ich ans Kegeln, man muss nur ein bisschen kreativ sein. So etwas kann man lernen. Daher sollte es von der ersten Klasse an jedes Jahr einen Projekttag geben, an dem die Schüler solche Lerntechniken erläutert bekommen und trainieren. Irgendwann brauchen die Schüler dann nichts mehr stur auswendig zu lernen. Wer sich schnell etwas merken kann, stellt viele Verknüpfungen her – und kann Probleme schneller lösen.

Die Lehrer als die wahren Bildungsexperten

Kai S. Cortina, Lernpsychologe an der Universität von Michigan/USA

Verschlimmbesserung vermeiden! Schulverwaltungen, Politiker und auch wir Bildungsforscher neigen dazu, allgemeine Erkenntnisse über die »gute Schule« als Patentrezepte auf jede Einzelschule zu übertragen. Dass Bildungsforscher einfach sagen können, wie es besser geht, ist ein verbreitetes Missverständnis. Die eigentlichen Experten für die Verbesserung des Unterrichts sind die Lehrer. Die Stärke der Wissenschaft ist umgekehrt, die Auswirkungen von Ideen objektiver zu messen. Deshalb sollten sich Pädagogen und Forscher die Arbeit anders teilen: In den Schulen probieren die Pädagogen systematisch neue Formen des Unterrichts aus, die Forscher begleiten diese Experimente durch Evaluation. So etwas könnte am Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen geschehen, dessen Gründung die Kultusministerkonferenz kürzlich beschlossen hat. Wenn wir die Praktiker aktiv in die Schulforschung einbeziehen, bekommen wir bessere Ergebnisse und ersparen ihnen das Gefühl, bevormundet zu werden.

Schüler sagen ihre Meinung

Peter Daschner, Direktor des Landesinstituts für Lehrerbildung und Schulentwicklung in Hamburg

Schülerrückmeldungen sollten fester Bestandteil des Unterrichts werden. Unterricht ist nicht allein Lehrersache, denn Erfolg wie Misserfolg sind gemeinschaftliche Produkte. Deshalb sollte Selbstwahrnehmung mit Fremdwahrnehmung abgeglichen werden. Das ist gut für Lehrer: Sie erhalten Hinweise zur Wirkung ihres Unterrichts und Anerkennung oder Korrektursignale. Das ist gut für Schüler: Sie werden als Lerner und Mitgestalter ernst genommen und an der Entwicklung von Kriterien für guten Unterricht beteiligt. Feedback in Form von Fragebögen, Diskussionen oder Kartenabfragen schafft Dialogmöglichkeiten. Fehler, blinde Flecken und Missverständnisse können so abgebaut werden.

Das sauberste Klassenzimmer

Frank Oerzen, Hausmeister am Hamburger Gymnasium Johanneum

Die Schulleitung könnte jedes Halbjahr einen Wettbewerb um den saubersten Klassenraum ausrichten. Ich als Hausmeister bekomme ja ganz genau mit, welche Klassen ordentlich aussehen und welche nicht. Die Siegerklasse könnte in der Schülerzeitung stehen und einen Preis gewinnen, zum Beispiel einen Kinobesuch. Sauberkeit ist für jeden schön und auch wichtig, damit man sich wohlfühlt und gerne lernt. Das Schulgebäude ist der zentrale Lebensort für die Schüler, erst recht, wenn die Ganztagsschule kommt. Bei uns sind die Schüler seit Jahren angehalten, die Stühle hochzustellen, den Müll zu entsorgen, zu fegen und die Tafel zu wischen. Und wer das am gewissenhaftesten macht, sollte belohnt werden, ist doch klar.

 

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